Karstädt liegt im Landkreis Prignitz, im Nordwesten Brandenburgs. Zur Gemeinde gehören viele Dörfer und Ortsteile mit insgesamt rund 6000 Einwohnern. Der Hauptort hat einen Autobahnanschluss und liegt an der Überland-Gasleitung. Deshalb wollte der Shell-Konzern hier eine industrielle Bio-Methangas-Anlage bauen. Bis zu 600.000 Tonnen Material sollten im Jahr vergoren werden: Gülle, Mist, Grünschnitt, Stroh und andere landwirtschaftliche Reststoffe. Das gewonnene Methangas sollte dann in Köln-Godorf in Treibstoff für LKW umgewandelt werden (Bio-LNG).
Das hört sich doch gut an. Oder? Was kann man dagegen haben? Viel!
Wir hielten das Vorhaben für ökologisch fragwürdig und sahen in dieser Mega-Anlage mehr Risiken als Nutzen für die Umwelt und für unsere Gemeinde. Im Shell-Konzern sehen wir außerdem keinen guten Partner für die Energiewende. Unter „Argumente“ und „Fragen und Antworten“ finden sich ausführliche Informationen zu den vielen verschiedenen Kritikpunkten, die wir hatten.
Wir schreiben in der Vergangenheitsform, weil wir es tatsächlich geschafft haben, das Ganze zu verhindern. Wir, eine Bürgerinitiative in einer kleinen ländlichen Gemeinde, haben es geschafft, den Shell-Konzern zu vertreiben. Gegen große Widerstände und trotz vieler Finten ist es gelungen, den bereits beschlossenen und sogar ein zweites Mal bestätigten Aufstellungsbeschluss für die Anlage zu kippen. Schade, dass niemand die Zeit hat, die Geschichte als Ganzes aufzuschreiben, denn sie ist ziemlich unglaublich und kann anderen Mut machen. Wir haben oft nicht mehr daran geglaubt, es zu schaffen, aber weiter gemacht und es hat sich gelohnt.
Dabei ging es nicht nur um das Misstrauen gegenüber dem Shell-Konzern und den Ärger über seine intransparente, oft manipulative Kommunikation, nicht nur um den befürchteten Gestank und die ökologische Fragwürdigkeit des Vorhabens. Es ging auch – oder vielleicht vor allem – um Kritik am undemokratischen Vorgehen von Verantwortlichen in unserer Gemeinde. Es ging um den sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt – und das war bei uns nun ein Gülletropfen. In dieser Zeit gab es Gemeindevertreter-sitzungen, die in die Sporthalle verlegt werden mussten, weil so viele wach geworden waren und zu den Sitzungen kamen, dort mitreden, mitbestimmen wollten.
Vom ersten Aufstellungsbeschluss im Dezember 2021 bis zum endgültigen Aus für die Anlage sind drei Jahre vergangen. In dieser Zeit haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Gemeindevertretung grundlegend geändert. Erstmals seit rund 20 Jahren.
Aus unserer Bürgerinitiative ist ein Wählerbündnis hervor gegangen. Es stellt heute die Ortsvorsteherin des Hauptortes Karstädt und drei Gemeindevertreter.
Karstädt hat sich verändert: Es gibt jetzt viele Initiativen, die sich hier gegen etwas wehren oder dort etwas durchsetzen, die Veranstaltungen organisieren, ein Dorfkino eröffnen, Plätze gestalten. Die Protesten gegen die Shell-Anlage haben Menschen zusammen gebracht, die sich vorher nicht kannten und die jetzt weiter machen wollen: Wir sind aktiv geworden und bleiben es. Danke Shell 😉 Ernsthafter Dank gilt allen, die uns auf diesem Weg unterstützt und begleitet haben.





Pressebild zur Bürgerbefragung an der Stelle, wo die Anlage entstehen sollte.
