Anlage von Shell / Nature Energy in Kvaers / Dänemark

Hier sieht man, wie überschüssiges Gas abgefackelt wird. Diese Anlage ist mit der bei uns geplanten vergleichbar.

So würde es auch in Karstädt aussehen, sollte die Anlage gebaut werden.

Hier findet ihr unsere Antworten auf die Fragen zu den Risiken dieser Anlage:

Was passiert in einer Bio-Methangas-Anlage?
Welches besondere Risiko birgt die geplante Anlage?
Was sind mögliche Auslöser für schwere Zwischenfälle?
Was passiert, wenn etwas passiert?
Wie wahrscheinlich ist es, dass etwas passiert?
Was kann die Feuerwehr machen?
Was folgt aus alledem?

Vorneweg:

Alle Biogasanlagen bergen bei Unfällen ein hohes Risiko für Umwelt und Grundwasser und durch frei werdende Atemgifte auch für den Menschen. Schon bei kleineren Anlagen ist die Menge an gelagerten und umgesetzten Substraten problematisch. Die geplante NatureEnergy/Shell-Anlage wäre größer als alle Anlagen, die wir bisher kennen. Ein solches Sicherheitsrisiko in unmittelbarer Nähe zur Autobahn und so nahe an bewohnten Ortsteilen in der Haupt-Windrichtung halten wir für unverantwortlich.

Was passiert in einer Bio-Methangas-Anlage?

Das Ziel der Produktion ist ein Gas, das Erdgas weitgehend gleichkommt. Erdgas besteht zum größten Teil aus Methan. Normales Biogas enthält nur 60 % Methan aber noch viele andere Gase, z. B. Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid. In einer Bio-Methangasanlage wird erst Biogas hergestellt und dann von den anderen Bestandteilen so gereinigt, dass annähernd reines Methangas übrig bleibt. Das Biogas wird dafür getrocknet, dann entschwefelt und das Kohlendioxid (CO2) abgeschieden.

In landwirtschaftlichen Betrieben sind die einfachen Biogasanlagen am üblichsten, es gibt aber auch Betriebe mit Bio-Methangasanlagen. Auch nicht landwirtschaftliche Firmen betreiben z.T. große Bio-Methangasanlagen. Die bislang größten in unserer Region sind in Güstrow und Vettin bei Groß Pankow mit 140.000 bzw. 100.000 Tonnen Substrateinspeisung im Jahr. Die von Shell geplante Anlage würde mit 400.000 – 600.000 Tonnen Einspeisung im Jahr wesentlich größer und wäre damit eine der größten in Deutschland.

Welches besondere Risiko birgt die geplante Anlage?

Vor allem das Methangas ist leicht entzündlich und es bildet mit Luft explosive Gemische. Unter Druck und in geschlossenen Systemen ist Methangas hoch explosiv. Die geplante Anlage ist ein solch geschlossenes Betriebssystem. Ein unkontrollierbarer Störfall in einem der Reaktoren kann zu Kettenreaktionen in den Nachbarfermentern führen, die „in Windeseile ablaufen“ und dann kaum unter Kontrolle zu bekommen sind. Das erfuhren wir von Fachleuten.

Das gewonnene Methangas muss außerdem auf dem Gelände der Anlage in einem Kompressor unter Druck verdichtet werden, damit es in die Überland-Gasleitung eingespeist werden kann. Im Merkblatt „Empfehlung für den Feuerwehreinsatz bei Biogasanlagen“ wird unter Punkt 5.5 für Analgen diesen Typs folgende Aussage getroffen: „Solche Anlagen sind mit chemischen Industrieanlagen vergleichbar und besitzen – je nach Verfahren – entsprechende chemische und physikalische Gefahren durch Anlagetechnik und eingesetzte Hilfsstoffe.“ Auf die geplante Mega-Anlage von Shell /Nature Energy trifft das in besonders hohem Maße zu.

Methangas soll in der Anlage nicht nur erzeugt und eingespeist, sondern auch auf dem Gelände in Gasspeichern gelagert werden, z. B. bei übermäßiger Gasproduktion, dem Ausfall einer Anlage zur Gasverwertung oder Gasaufbereitung. Im dänischen Kvaers, wo eine Vergleichsanlage steht, wurden unlängst die Kapazitäten zur Gasspeicherung so weit ausgedehnt, dass die Anlage nun in der Sicherheitsstufe „terrorgefährdet“ geführt wird (siehe Jydse Vestkysten, der ganze Artikel kann bei uns mit Übersetzung angefordert werden).

Im Falle einer Explosion werden neben Methangas in großen Mengen hoch giftiger Schwefelwasserstoff, Ammoniak und andere Atemgifte freigesetzt.

Was sind mögliche Auslöser für schwere Zwischenfälle?

Der berühmte Funke kann die gesamte Anlage in ein explodierendes Inferno verwandeln.

Wegen der erhöhten Risiken im Falle einer Haverie fällt die Anlage unter die Störfallverordnung. Das Bundesumweltamt schreibt uns auf eine Anfrage zur Sicherheit der geplanten Anlage: „Wenn die von Ihnen beschriebene Anlage in den Geltungsbereich der Störfallverordnung fällt, sind die damit verbundenen sicherheitstechnischen Anforderungen ausreichend. Aber diese allein können keine 100%ige Sicherheit unter allen Betriebsbedingungen gewährleisten. Es wird immer vereinzelt Situationen geben, die auch durch ein sehr hohes Sicherheitsniveau nicht abgedeckt werden können. Hier sind z. B. zukünftige Wetterverhältnisse aufgrund des Klimawandels zu nennen.“

Am 3. Oktober 2023 explodierte z.B. im britischen Oxfordshire eine der größeren Biogasanlage (50.000 t Substrat/Jahr), nachdem der Blitz bei einem extrem starken Unwetter in einen Tank eingeschlagen war. Die Autobahn in der Nähe wurde gesperrt, die Anwohner im Umkreis von 2 Kilometern sollten Fenster und Türen geschlossen halten. Der Betreiber gab an, alle Tanks seien mit Blitzableitern ausgestattet gewesen.

Neben Extremwetter sind als weitere unkalkulierbare Gefahrenquellen das berühmte ,menschliche Versagen‘ zu nennen, Einwirkungen von außen (siehe Terrorgefahrenstufe in Dänemark) oder unbemerkte Leckagen in den Gasleitungen wie bei einer Shell-Anlage in der Nähe von Köln (s.u.).

Was passiert, wenn etwas passiert?

Die folgenden Stoffe werden freigesetzt und in Windrichtung getragen:

Schwefelwasserstoff ist ein giftiges Gas, das in geringen Konzentrationen „nur“ nach faulen Eiern stinkt, so wie in Kvaers. Das Gas ist etwas schwerer als Luft und löst sich in Wasser. Erst bei hohen Konzentrationen wird es geruchslos, gleichzeitig aber so giftig, dass es zum Tod führen kann.

Methangas ist nicht nur hoch explosiv, sondern verdrängt auch Sauerstoff aus der Atemluft und führt vorübergehend zu Atemnot bis zum Ersticken, zu Taubheit in Armen und Beinen sowie Gedächtnisstörungen.

Kohlendioxid (CO2) ist ein Abfallprodukt der Methangasgewinnung. Es verdrängt wie Methangas den Sauerstoff aus der Atemluft und kann zu Bewusstlosigkeit und Tod führen.

Ammoniak ist das Abbauprodukt sämtlicher Stickstoffverbindungen in Biogasfermentern. Als Gas ist es ein Atemgift mit Reiz- und Ätzwirkung, und in flüssiger Form kann es das Grundwasser verseuchen. Es ist auch in den Substraten wie Gülle und Mist und in den Gärresten enthalten, die auf dem Gelände lagern.

Außerdem werden Schwefelsäure und Natronlauge, erhebliche Mengen an Substraten und Gärresten auf dem Gelände gelagert.

Die bei einer Explosion frei werdenden Atemgifte würden zuerst einmal das Personal der Anlage gefährden, dann aber auch die Anwohner in Windrichtung und die Nutzer der Autobahn.

Wie wahrscheinlich ist es, dass etwas passiert?

Die Vertreter von Shell versuchten bei ihrer Präsentation in der Gemeindeverwaltung im März 2023 Sicherheitsbedenken mit der Bemerkung von Tisch zu wischen, Shell könne es sich gar nicht leisten, dass etwas passiert. Tatsächlich aber sind diverse Umweltkatastrophen von Shell zu verantworten, und zwar nicht nur in Ölförderländern wie Nigeria.

Im Juli 2020 sind in der Shell-Raffinerie in Köln unbemerkt 390.000 Tonnen Öl aus einem 1,5 Millimeter (!) großen Loch in eine Leitung ins Grundwasser gesickert. Es sei davon auszugehen, dass das Mantelrohr bei Straßenbauarbeiten beschädigt wurde und die Leitung infolge dessen korrodierte, hieß es bei der Shell AG. Dadurch sei wohl das Loch entstanden. Verschiedene Medien berichteten, z.B. ‚Tag24‘

In dem Zusammenhang wird von früheren Chemieunfällen und Grundwasserverschmutzungen bei Shell/NRW berichtet. Die gravierendsten Folgen hatte 2012 ein Pipeline-Leck in Köln: Damals war über vier Wochen mehr als eine Million Liter Kerosin unbemerkt ins Erdreich gesickert. Danach habe Shell erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Anlage sicherer zu machen. Trotzdem kam es im Juli 2020 wieder zu einer Katastrophe für das Grundwasser. Dazu: WDR Lokalzeit 

Wie schnell z.B. Leckagen entstehen können, kann man hier nachlesen: Kölner Stadtanzeiger

Anfällig für Leckagen sind alle Rohre und Leitungssysteme der Anlage und die neu zu verlegende Stichleitung zur Überland-Pipeline.

Im Jahr 2019 stellte das Bundesumweltamt fest, dass es seit 2005 durchschnittlich alle zwei Wochen zu einem Unfall in einer Biogasanlage gekommen ist, teils mit gravierenden Folgen. Dabei seien 17 Menschen getötet und 74 verletzt worden. Der SPIEGEL berichtete. Die Ursachen sind vielfältig. Besondere Regelungen für die Feuerwehr waren eine Reaktion auf schwere Biogas-Anlagen-Unfälle (s. u.).

Was kann die Feuerwehr machen?

Wenn Giftgase in hohem Maß frei werden, muss ein Feuerwehreinsatz von so genannten ABC-Einheiten durchgeführt werden. Das wäre technisch und von der Qualifizierung her nur auf Landkreisebene zu gewährleisten.

Ein zusätzliches Problem zu den hohen Anforderungen ist die Windrichtung. Feuerwehrkräfte dürften sich bei einem solchen Einsatz nicht gegen die Windrichtung, das heißt in der Regel nicht über Karstädt oder von der B5 her nähern, denn in der Regel herrscht Westwind. Sie müssten vielmehr mit dem Wind von Westen her (Mankmuß, Stavenow) die Anlage anfahren.

Was folgt aus alledem?

Eine normale landwirtschaftliche Biogasanlage birgt bereits ernste Risiken, weil gesundheitsschädliche Gase erzeugt und Grundwasser gefährdende Substanzen in großen Mengen auf dem Gelände gelagert werde. Je größer die Anlage ist, desto schwerer sind bei einer Havarie (Brand, Explosion, Leckagen etc.) die Folgen für Menschen und Umwelt.

  • Die von Shell geplante Anlage birgt ein hohes Risiko, vergleichbar mit der Ansiedlung chemischer Industrie.
  • Das Einhalten der Störfallverordnung schützt nicht bei Extremwetter, menschlichem Versagen oder Einwirkungen von außen.
  • Ein solches Sicherheitsrisiko in unmittelbarer Nähe zur Autobahn und so nahe an bewohnten Ortsteilen, noch dazu in der Hauptwindrichtung, ist unverantwortlich.

Bildnachweise: Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay, Alexa auf Pixabay, Arek Socha auf Pixabay, Nature Energy.